Bundestag und Assemblée nationale: Arbeitsgruppe zur Harmonisierung des Wirtschaftsrechts kommt

foto1-482

Niklas Uder, 07.02.2020

Mit einer eigenen Arbeitsgruppe will die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung des Deutschen Bundestages und der Assemblée nationale die Harmonisierung des Wirtschaftsrechts vorantreiben. Das beschlossen die Abgeordneten beider Länder am Donnerstag, den 6. Februar 2020 bei ihrer Sitzung im Europaparlament in Straßburg. Unter der Leitung des Vorsitzenden Andreas Jung (CDU/CSU) stimmten die Abgeordneten für die Einsetzung der Arbeitsgruppe „Harmonisierung des deutschen und des französischen Wirtschafts- und Insolvenzrechts“.

„Wir haben sehr viel erreicht, was die Koordinierung des Rechts angeht, aber wir sehen auch, dass es viele Löcher gibt“, erklärte Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU), der die Schaffung der Arbeitsgruppe mitangestoßen hatte.

Mit ihrem Engagement für die Harmonisierung des deutsch-französischen Wirtschaftsrechts zeigt die deutsch-französische Versammlung Initiative. Sie kommt ihrem Kontrollauftrag aus Artikel 6 des Parlamentsabkommens nach, gemäß dem sie die Umsetzung und die Evaluierung der auf dem Aachener Vertrag beruhenden Projekte überwacht. Die Einsetzung der Arbeitsgruppe steht damit in einer Linie mit dem Ziel des Aachener Vertrages (Artikel 20), gemeinsame Regeln im Wirtschaftsrecht zu fördern.

In vielen Bereichen des Wirtschaftsrechts wie dem des Rechts am geistigen Eigentum oder dem der handelsrechtlichen Publizität ist das deutsche und französische Wirtschaftsrecht bereits durch das europäische Einheitsrecht überformt. Mit Hilfe einer durch Rechtsvergleichung gewonnenen deutsch-französischen Grundlage könnte das europäische Recht weiter verbessert werden. Es bleibt abzuwarten, ob die neue Arbeitsgruppe das Potential erkennt, das in einer Systematisierung des europäischen Rechts liegt. Systematisierung macht deutschen und französischen Rechtsanwendern das Wirtschaftsrecht besser zugänglich. Unternehmen könnten Kosten sparen, mehr investieren und mehr Wohlstand schaffen.

Kritik erntete die Einsetzung der Arbeitsgruppe von Links – und Rechtsaußen. Fabio De Masi (Die Linke) kritisierte ähnlich wie Danièle Obono von der französischen Linkspartei LFI, dass es parallel dazu keine Arbeitsgruppen zur steuerlichen Koordination oder zur sozialen Harmonisierung gebe.

Die AfD votierte gegen die Arbeitsgruppe. Unter dem Protest anderer Abgeordneter bemerkte Thomas Seitz (AfD): „Die angestrebte Harmonisierung soll nur als eine Blaupause für die weitere Übertragung von Souveränitätsrechten von den Nationalstaaten auf die EU dienen“.

Die Aussage ist unscharf und setzt Rechtsharmonisierung mit Kontrollverlust zu gleich. Die Imponiervokabel „Blaupause“ steht für das schlichte Wort „Vorbild“. Die deutsch-französische Rechtsharmonisierung dient jedoch nicht als Vorbild für die Übertragung nationaler Kompetenzen. Die bilaterale Harmonisierung verfolgt nicht den Zweck, über Umwege nationale Kompetenzen zu übertragen. Vielmehr dient die Harmonisierung als Vorbild für die Schaffung einheitlicher Regeln im Wirtschaftsrecht, zu der es keiner neuen Übertragung von Hoheitsrechten bedarf. Die Kompetenz zur Rechtsangleichung im Binnenmarkt liegt nicht bei den Mitgliedsstaaten, sondern gemäß Art. 114 AEUV bei der Europäischen Union, wenn sie der Beseitigung eines konkreten Hindernisses für die Ausübung der Grundfreiheiten oder einer konkreten Wettbewerbsverfälschung dient. Die Aussage des AfD-Abgeordneten Seitz entbehrt dieser Tatsachengrundlage. Sie dient dazu, Ängste zu schüren vor einer vermeintlichen schleichenden Übertragung von Hoheitsrechten, auf die der Bürger keinen Einfluss zu haben scheint. Einer solchen Übertragung schieben die Verfassungen der Mitgliedstaaten einen Riegel vor. Ohne die Zustimmung der Volksvertretungen findet keine Übertragung von Souveränitätsrechten statt.

Florierender Handel durch einheitliche Regeln für Unternehmen kann die Bande zwischen Staaten stärken und Konflikte vermeiden. Unter der Prämisse, dass die Entscheidung über die Übertragung von Kompetenzen stets beim nationalen Souverän liege, verwies Rüdiger Kruse (CDU/ CSU) auf die historische Bedeutung des Wirtschaftsrechts für staatlichen Zusammenhalt: „Ein gemeinsames Wirtschaftsrecht war in Deutschland der Motor, der die Einzelstaaten zusammengebracht hat und zu einer Nation werden ließ“. Rüdiger Kruse ist Präsident des Vereines für die Vereinheitlichung des Wirtschaftsrechts in Europa e.V., der sich für die Schaffung eines europäischen Wirtschaftsgesetzbuch einsetzt. Zwischenstaatlicher Handel sorgt für mehr Wohlstand. Dieser könne nur gemeinsam gesichert werden, entgegnete Dr. Jürgen Martens (FDP) den AfD-Vertretern. „Nationalisten werden uns dabei nicht helfen können“. Wenn man in dem Vorhaben also eine „Blaupause“ erblicken möchte, dann dient sie nicht etwa verschleierten Übertragungen von Kompetenzen, sondern bildet die Grundlage für mehr Wohlstand und Frieden in Europa.

Weiterführende Links:

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw06-dt-frz-parl-versammlung-strassburg-donnerstag-681366

https://www.tagesspiegel.de/politik/deutsch-franzoesische-parlamentarierversammlung-vorsitz-der-deutsch-franzoesin-thillaye-wackelt/25505528.html

foto2-482
Tagung der Deutsch-französischen Versammlung im EU Parlament in Straßburg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert