Auf Einladung der Abgeordneten des Europäischen Parlaments Jakob von Weizsäcker (SPE) und Alain Lamassoure (EVP) haben die Vertreter der Association Henri Capitant dem Europäischen Parlament das Projekt eines Europäischen Wirtschaftsgesetzbuches vorgestellt, das an die Stelle des bisherigen Handels- und Unternehmensrechts der EU treten soll.
Professor Philippe Dupichot, Generalsekretär der Association Henri Capitant, wies auf die wirt-schaftlichen, politischen und rechtlichen Gründe, die dem Projekt zugrunde liegen, hin. Die unvoll-ständige Umsetzung des Binnenmarkts stelle für Unternehmen einen erheblichen Kostenfaktor dar und senke so die Attraktivität des europäischen Markts für Investoren. In Zeiten des Brexits, während der sich viele Bürger von der europäischen Idee distanzieren, sei es entscheidend, kon-krete europäische Projekte voranzubringen, die Geschäftsleute undUnternehmen und alle ande-ren Wirtschaftskräfte wieder ins Zentrum rücken. Letztlich haben die Komplexität und Disparität des europäischen Wirtschaftsrechts, die aufgrund der 27 weiterhin verschiedenen Rechtsordnun-gen bestehen, zur Folge, dass sich Unternehmer oft nicht mehr in der Lage sehen, mit Sicherheit zu bestimmen, welchem Recht ihre Geschäfte unterliegen.
Professor Matthias Lehmann, Vertreter der deutschen Gruppe der Association Henri Capitant, hat die Rechtssicherheit betont, die die Einführung eines Europäischen Wirtschaftsgesetzbuches mit sich brächte. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden 13 Arbeitsgruppen unter deutsch-französischer Leitung gegründet, in denen Rechtsexperten aus mehreren Mitgliedstaaten am neuen Wirt-schaftsgesetzbuch arbeiten. In jedem der 13 Themenbereiche sei es Ziel, einen Gesetzestext nach dem Modell des Code Civil zu erarbeiten, der sich durch eine klare, verständliche Sprache auszeich-net. Die Grundlage bilde dabei zunächst das, was innerhalb der Europäischen Union bisher erreicht wurde (auis communautaire). Lücken in der Vereinheitlichung des Rechts könnten durch neue Vor-schläge geschlossen werden. Das Gesetzbuch soll einen Gegenentwurf zu den englischen und schweizerischen Rechtsentwürfen darstellen, die aktuell die grenzüberschreitenden Geschäfte innerhalb des Binnenmarkts dominieren.
Alain Lamassoure lobte, dass de Initiative aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Sie will sich nicht etwa selbst in den Vordergrund stellen will, sondern sich für die Interessen und Bedürfnisse der Unternehmer und Kaufleute einsetzen. Er rief dazu auf, das Projekt in seiner Gänze umzusetzen, indem das vorhandene europäische Wirtschaftsrecht ohne inhaltliche Änderungen leserlich und zugänglich gestaltet und überall dort konsequent weiterentwickelt wird, wo es erforderlich ist. Da die reguläre Entscheidungsfindung auf der EU-Ebene regelmäßig Kompromisse erfordert und auf diese Weise die Komplexität der Regelungen fördert, schlägt er vor, es wie die USA anzugehen, als diese in ihren 50 Mitgliedsstaaten ein einheitliches Handelsgesetzbuch (Uniform Commercial Code) eingeführt haben: Nämlich indem sie in den einzelnen Staaten die schrittweise eine Umsetzung zuließen. Die EPAbgeordnete Pervenche Berès ist dabei der Auffassung, dass der Brexit einen gu-ten Zeitpunkt darstellt, um mit dem Projekt ein Ziel zu erreichen, das man in den letzten 20 Jahren nicht hat erreichen können.
Abschließend erinnert Prof. Dupichot daran, dass bei den grenzüberschreitenden Geschäften in-nerhalb der Union das Recht der Schweiz sowie von Großbritannien weitgehend per Rechtswahl bevorzugt werden. Daher sei es nun erforderlich, aus dem europäischen Wirtschaftsrecht ein Werkzeug im Sinne der Wirtschaftsteilnehmer zu machen, das von diesen als echter europäischer Erfolg anerkannt wird.